Im Rahmen der internationalen IPMAI-Konferenz, die am 8.Oktober 2025 in Kurim, Tschechische Republik stattgefunden hat, wurden innovative Ansätze zur vorausschauenden Instandhaltung und zum Einsatz künstlicher Intelligenz in der industriellen Fertigung vorgestellt.
Zu Beginn stellte David Jödicke, SCCH – Software Competence Center Hagenberg und Veronika Večeřová – INTEMAC Solutions s.r.o das Projekt IPMAI vor. Dieses zielt auf die Entwicklung innovativer Lösungen für vorausschauende Instandhaltung (Prescriptive Maintenance) in Industrieanlagen mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) ab. Grundidee ist, dass große Datenmengen aus verschiedenen Sensoren analysiert werden, um Fehlerzustände zu erkennen und vorherzusagen – im Einklang mit den Prinzipien von Industrie 4.0. Das Projekt ist Teil des grenzüberschreitenden Kooperationsprogramms Interreg Österreich – Tschechische Republik. Mehrere Partnerinstitutionen aus beiden Ländern sind beteiligt und läuft noch bis Ende 2026.
Die Konferenz – an der rund 30 Expertinnen und Experten teilgenommen haben, beinhaltete Beiträge zur KI-gestützten Entscheidungsfindung, zur Integration von IoT und CMMS-Systemen, zur Zustandsüberwachung von Industrierobotern sowie zur akustischen Analyse zur Fehlervermeidung. Eine Lab-Tour bei INTEMAC demonstrierte ein experimentelles Setup mit Cobots zur Datenerfassung.
Vom Sensor zur Entscheidung: KI in der industriellen Instandhaltung
Die Präsentation beleuchtet, wie künstliche Intelligenz (KI) die industrielle Instandhaltung transformiert – von der reaktiven Fehlerbehebung hin zur vorausschauenden und schließlich zur vorschreibenden (prescriptive) Instandhaltung. INTEMAC, ein tschechisches Forschungs- und Technologiezentrum mit Fokus auf intelligente Fertigung, bietet Unternehmen umfassende Unterstützung bei der Integration von KI in Produktionsprozesse. Dazu gehören Schulungen, Machbarkeitsstudien, Prototyping und Beratungsleistungen.
Ein zentrales Thema war die Entwicklung von Instandhaltungsstrategien: Während die prädiktive Instandhaltung auf die Frage „Was wird passieren?“ abzielt, geht die prescriptive Maintenance einen Schritt weiter und beantwortet „Was sollen wir tun?“. KI kann dabei nicht nur den optimalen Wartungszeitpunkt vorschlagen, sondern auch Ersatzteile, Arbeitsabläufe und Ressourcen planen sowie verschiedene Szenarien bewerten. Ziel ist es, von der Entscheidungsunterstützung zur autonomen Entscheidungsfindung zu gelangen.
Um prescriptive Maintenance zu realisieren, braucht es eine solide Grundlage: verlässliche Sensordaten, maschinelles Lernen, kontextbezogene Datenintegration, Entscheidungsmodelle (z. B. Reinforcement Learning) und die Anbindung an Systeme wie CMMS oder ERP. Menschliche Expertise bleibt dabei zunächst ein wichtiger Bestandteil – KI schlägt vor, der Mensch entscheidet.
Das IPMAI-Projekt dient als Testumgebung, in der diese Prinzipien erprobt werden – etwa mit Cobots, Sensorik und Kalibrierwerkzeugen. Ziel ist es, Unternehmen einen Einstieg in datengetriebene Instandhaltung zu ermöglichen und langfristig autonome, energieeffiziente und intelligente Produktionssysteme zu fördern.
Als nächster Schritt ist die Entwicklung einer Prototyp-App geplant, die auf Reinforcement Learning basiert und mit synthetischen Daten trainiert wird. Die Smart Factory von INTEMAC bietet dafür eine flexible Umgebung mit Fokus auf kleine Losgrößen, Oberflächenbehandlung, Qualitätssicherung und KI-gestützte Wartung.
Von Daten zu Arbeitsaufträgen
Die Präsentation zeigt auf, wie Unternehmen durch die Kombination von IoT, künstlicher Intelligenz (KI) und CMMS-Systemen (Computerized Maintenance Management Systems) den Weg von der reaktiven zur prädiktiven und schließlich zur preskriptiven Instandhaltung beschreiten können. Antoš betont, dass viele Firmen zwar KI einsetzen möchten, jedoch oft keine digitalisierten Daten zur Verfügung haben – ein grundlegendes Hindernis, da KI ohne Daten nicht funktionieren kann.
Der Weg zur prädiktiven Instandhaltung beginnt mit der digitalen Erfassung von Anlagen und Prozessen, gefolgt von der Automatisierung durch CMMS/CAFM-Systeme. Erst wenn diese Systeme mit IoT, Energie- und Diagnosedaten sowie BIM-Modellen integriert sind, kann KI sinnvoll eingesetzt werden. Das CMMS fungiert dabei als zentrales Datenhub und „einzige Quelle der Wahrheit“.
Durch die Integration verschiedener Systeme entsteht ein einheitliches, automatisiertes Umfeld, in dem KI Muster erkennt, Anomalien vorhersagt und konkrete Handlungsempfehlungen gibt. Beispiele aus der Praxis zeigen, wie KI-basierte Wartungsauslöser – etwa bei erhöhter Vibration oder sinkender Energieeffizienz – automatisch Arbeitsaufträge generieren, Ressourcen planen und Ausfallzeiten reduzieren.
Zusätzlich werden Technologien wie Drohnen, Thermografie, Tribodiagnostik, AR/VR und digitale Zwillinge vorgestellt, die in Kombination mit KI präventive Maßnahmen ermöglichen. Besonders hervorgehoben wird der Übergang von prädiktiver zu preskriptiver Instandhaltung: Während prädiktive KI lediglich warnt, trifft preskriptive KI bereits Entscheidungen und leitet Maßnahmen automatisch ein – inklusive Rückkopplung zur kontinuierlichen Verbesserung des Modells.
Die zentrale Botschaft: Ohne digitalisierte Daten keine KI. Der Aufbau eines integrierten, datengetriebenen Instandhaltungssystems ist der Schlüssel zur intelligenten, effizienten und nachhaltigen Produktion der Zukunft.
Zero Down Time für Industrieroboter
Die Präsentation stellt das Software-System FANUC ZDT (Zero Down Time) vor, das zur Überwachung und Optimierung der Wartung von Industrierobotern dient. Ziel ist es, ungeplante Stillstände zu vermeiden und die Effizienz robotergestützter Fertigungszellen zu steigern. ZDT ist sowohl als On-Premise- als auch als Cloud-Lösung verfügbar und sammelt umfassende Daten zu Betriebszuständen, Energieverbrauch, Prozessparametern und dem „Gesundheitszustand“ der Roboter. Diese Daten können in übergeordnete Systeme wie ERP oder MES integriert werden.
Zentrale Funktionen von ZDT umfassen die Überwachung des mechanischen Zustands (z. B. Getriebeverschleiß), prozessbezogene Datenanalyse (z. B. Schweißprozesse, Handling, Vision-Systeme), Systemzustände (z. B. Programmstatus, Fehlerhistorie) sowie die digitale Wartungsplanung. Die Software erkennt frühzeitig Anomalien wie häufige Not-Aus-Ereignisse, die auf Bedienfehler oder kritische Belastungen hinweisen können, und hilft so, Schäden und teure Reparaturen zu vermeiden.
Anhand zahlreicher Praxisbeispiele – etwa bei Knorr-Bremse, Wienerberger, Carl Zeiss, Stellantis, ACC oder Liebherr – wird gezeigt, wie ZDT zur vorausschauenden Instandhaltung, zur Optimierung von Schweißprozessen, zur Reduktion von Getriebeverschleiß und zur Verbesserung der Prozessqualität beiträgt. Besonders hervorgehoben wird die Fähigkeit, durch Datenanalyse und Visualisierung gezielt Maßnahmen zur Prozessverbesserung und Kostensenkung abzuleiten.
ZDT unterstützt zudem automatische Backups, Benachrichtigungen bei Problemen, API-Anbindung und die Integration in kundenspezifische Anwendungen. Damit ist es ein leistungsfähiges Werkzeug zur Umsetzung von Industrie-4.0-Strategien im Bereich der robotergestützten Fertigung.
Akustische Analyse zur Fehlervermeidung
Neuron Soundware (NSW) präsentiert eine umfassende Lösung zur vorausschauenden Instandhaltung und Prozessoptimierung in der Industrie, basierend auf künstlicher Intelligenz, IoT und Edge Computing. Das Unternehmen hat sich auf die akustische Analyse von Maschinen spezialisiert, um ungeplante Ausfälle zu vermeiden, Wartungskosten zu senken und die Digitalisierung industrieller Anlagen voranzutreiben.
Mit weltweit über 130 Installationen auf vier Kontinenten und zahlreichen Innovationspreisen zählt NSW zu den führenden Anbietern im Bereich KI-gestützter Zustandsüberwachung. Die Lösungen ermöglichen eine Produktivitätssteigerung von bis zu 25 %, 60 % weniger Ausfälle, 5 % Energieeinsparung und 35 % geringere Produktionskosten.
Das System basiert auf einer Kombination aus Sensorik, Edge-Hardware (nEdge™), KI-Algorithmen und der Analyseplattform nGuard™. Es erkennt Anomalien durch die Analyse von Schallwellen, erstellt akustische Fingerabdrücke und berechnet Anomalie-Scores, die bei Überschreiten eines Schwellenwerts automatisch Warnungen auslösen. Die Plattform ist vollständig anpassbar und kann in bestehende Systeme wie ERP oder CMMS integriert werden.
Zahlreiche Anwendungsfälle belegen den Nutzen: von der Überwachung von CNC-Maschinen, Pumpen, Turbinen und Robotern über Smart-Maintenance-Lösungen für Flughäfen und Aufzüge bis hin zur Optimierung von Fräsprozessen mit Einsparungen von bis zu 180.000 € jährlich. Auch in der Energieversorgung trägt NSW zur Stabilisierung von Stromnetzen durch Transformatorüberwachung bei.
Ein besonderes Highlight ist der AI-Chatbot, der Wartungspersonal in Echtzeit unterstützt, Anomalien erklärt und Handlungsempfehlungen gibt. Die Kombination aus Echtzeitdaten, maschinellem Lernen und intuitiver Visualisierung macht NSW zu einem leistungsstarken Partner für die digitale Transformation in der Industrie.
Die Konferenz hat eindrucksvoll die Möglichkeiten der Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der vorausschauenden Instandhaltung von Maschinen und Anlagen gezeigt. Die Projektgruppe IPMAI dankt allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie den Referentinnen und Referenten für die Mitwirkung!